Kaiserschnitt (eine interessante Studie)

Geburtsmethode prägt Bakterienflora

Obwohl gesundheitlich und ideologisch umstritten, werden Kaiserschnitte immer häufiger. Eine Studie liefert den Kritikern ein neues Argument: Die bakterielle Besiedlung von Kaiserschnittkindern unterscheide sich deutlich von jener auf natürliche Weise geborener Babys.

Kategorie: Gesundheit Erstellt am 22.06.2010.

Bakteriologische „Impfung“

Die Studie in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“: „Delivery mode shapes the acquisition and structure of the initial microbiota across multiple body habitats in newborns“ von M.G. Dominguez-Bello et al.

Der menschliche Fötus entwickelt sich in der weitgehend keimfreien Umgebung des Mutterleibs. Erst bei der Geburt wird er mit einer großen Vielfalt an Mikroben konfrontiert. Am Weg durch den Geburtskanal erhält das Baby seine erste bakteriologische „Impfung“ mit den vaginalen Bakterienstämmen der Mutter. Erst mit der Zeit entwickelt sich die endgültige, individuelle bakterielle Besiedlung von äußeren und inneren Körperoberflächen.

Obwohl die WHO vor möglichen Komplikationen warnt, gibt es in den letzten Jahren eine starke Zunahme von Kaiserschnitten, so erblicken in den U.S.A. mittlerweile etwa 30, in China sogar 50 Prozent der Kinder auf operativem Weg das Licht der Welt. Folglich findet der erste Bakterienkontakt vieler Neugeborener immer seltener im Vaginaltrakt statt.

Die menschliche Mikroflora spielt jedoch eine wesentliche Rolle für die Gesundheit des Individuums, wie etwa Darmbakterien bei der Verdauung oder bei der Abwehr von Krankheiten. Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass der Darm von Babys sehr unterschiedlich besiedelt ist – je nachdem, ob sie auf natürliche Weise oder per Kaiserschnitt entbunden wurden.

Vergleich der Bakterienflora

Laut den Forschern um Maria G. Dominguez-Bello von der University of Puerto Rico könnte die Geburtsart auch die Zusammensetzung der restlichen Körperbakterien prägen. Das heißt, die generelle Entwicklung einer schützenden Flora könnte ebenfalls vom Erstkontakt mitbestimmt werden.

Für seine aktuelle Studie verglich das Team daher die Bakterienkulturen von unterschiedlich geborenen Babys. Neun Frauen im Alter von 21 bis 33 Jahren und ihre zehn Neugeborenen nahmen an der Untersuchung in einem südamerikanischen Krankenhaus teil, fünf davon brachten ihre Kinder – darunter auch Zwillinge – per Kaiserschnitt zu Welt.

Bereits eine Stunde vor der Geburt wurden bei der Mutter bakterielle Proben entnommen, von der Haut, aus ihrem Speichel und der Vagina. Unmittelbar nach der Entbindung wurden die Haut, der Speichel und die Nasenschleimhaut des Kindes untersucht, etwas später dann noch der erste Stuhl, das sogenannte Kindspech. Die Proben wurden dann mittels Gensequenzierung analysiert.

Unterschiedliche Besiedlung

Konventionell geborenen Babies waren demnach vor allem von jenen Bakterien besiedelt, die auch im Vaginaltrakt der Mutter gefunden worden waren, wie etwa Laktobazillen. Die Proben der Kaiserschnittbabys wiesen vor allem Bakterien vom Stamm Staphylococcus auf, die typisch für die Mikroflora der Haut sind. Die meisten davon sind zwar harmlos, aber einige davon können auch zu ernsthaften Infektionen führen.

Die Vergleiche zeigten, dass letztere sowohl von der Mutter als auch einer anderen Person stammen könnten – abhängig vermutlich davon, mit wem das Baby nach der Operation den ersten näheren Kontakt hatte. Das kann auch ein Arzt oder der Vater gewesen sein.

Grundlage für bakterielle Besiedlung

Die Ergebnisse könnten den Forschern zufolge erklären, warum Kaiserschnittkinder gesundheitlich oft anfälliger sind; so tritt etwa eine bestimmte bakterielle Hautinfektion in erster Linie nach dieser Geburtsart auf. Die vaginalen Bakterien schützen die Babyhaut unter Umständen davor. Andere Studien hätten auch gezeigt, dass Kaiserschnittgeburten ein höheres Risiko haben, später an Allergien oder Asthma zu erkranken. Das könnte ebenso ein Folge der ersten Mikroflora sein.

Interessanterweise ist die Bakterienbesiedlung bei jedem Neugeborenen an den verschiedenen Körperstellen recht ähnlich, egal auf welche Weise sie geboren wurden. In Zukunft wollen die Forscher daher genau verfolgen, wie sich aus der frühen undifferenzierten Flora die hochdiverse Bakterienlandschaft bei Erwachsenen entwickelt. Die Erstbesiedlung könnte jedenfalls eine wesentliche Grundlage einer widerstandsfähigen Mikroflora sein.

Eva Obermüller, science.ORF.at